Betty Reis

Eine Geschichte für heute

Zum 100sten Geburtstag von Betty Reis hat der Wassenberg Pfarrer Dr. Titus Reinmuth zusammen mit unseren Schüler:innen einen Beitrag für den WDR erstellt. Es ist ein großartiges Beispiel dafür geworden, wie Schüler:innen unserer Schule „Betty Reis als Geschichte für heute“ verstehen und leben.

Betty Reis (1921 - 1944)

Unsere Schule trägt seit Oktober 1991 dankbar und stolz den Namen von Betty Reis (1921-1944), einer jungen Frau aus Wassenberg. Unter dem Motto „Betty Reis – eine Geschichte für heute“ stehen seitdem vielfältige Aktivitäten unserer Schule, die dem Schulnamen auf unterschiedliche Weise gerecht werden.

Betty Reis verbrachte, aufgewachsen in einer jüdischen Familie, ihre Kindheit und Jugend in ihrer Heimatstadt, bevor sie 1937 eine Stelle als Dienstmädchen bei einer jüdischen Familie in Solingen annahm. Dort erlebte sie 1938 die Pogromnacht und machte traumatische Erfahrungen. Die Nationalsozialisten deportierten sie, nachdem sie seit 1939 zahlreiche andere Stationen durch­laufen hatte, schließlich ins Konzentrationslager Bergen-Belsen. Dort wurde Betty Reis durch die Nationalsozialisten im Herbst 1944 ermordet. Je ein Gedenkstein erinnert in Bergen-Belsen und im Foyer des Verwaltungsgebäudes der Schule an unsere Namensgeberin.

Die Initiative, die Wassenberger Gesamtschule nach Betty Reis zu benennen, geht auf den damaligen Pfarrer der evangelischen Kreuzkirche in Wassenberg, Herrn Klaus Eberl, und auf den Wassenberger Ehrenbürger, Herrn Prof. Dr. Heribert Heinrichs (†2004), zurück (vgl. den Vortrag zur Namensgebung vom 27.06.1991).

Hinter dieser Namenswahl steckt die feste Überzeugung, dass der Name Betty Reis uns für unsere Gegenwart in die Pflicht nimmt. Die Namensgebung stellt ein Vermächtnis dar, auf dem die Wertorientierung unserer pädagogischen Arbeit fußt. Denn mit ihrem Namen hat sich die Schule bewusst einen Auftrag gegeben, der mit dem Begriff ‚Gedenken‘ treffend umrissen ist. ‚Gedenken’ impliziert sowohl Erinnerung als auch Verpflichtung: Erinnerung an die Millionen von Menschen, die der Barbarei der nationalsozialistischen Diktatur und dem Rassenwahn zum Opfer gefallen sind. Verpflichtung, weil wir uns gleichzeitig verantwortlich fühlen, in der Gegenwart Akzente im Sinn unserer Werte, im Sinn von Menschenrechten, Demokratie, Solidarität und Toleranz zu setzen. Gleichzeitig ist also die Namensgebung ein Glücksfall für die tägliche Arbeit. Immer wieder reflektierte die Schule die Frage, was der Schulname für den Alltag der Schule bedeutet (vgl. die Festrede vom 15.07.2002). Bis heute wird im Schulleben intensiv deutlich, dass Bettys Name für uns Gedenkstein gegen das Vergessen ist. Betty Reis – eine Geschichte für heute!

Mahnmal Betty Reis (1990)

Mahnmal für das jüdische Mädchen Betty Reis

1990, Eiche
Hans Brockhage (*1925, †2009)
Seit 1993 im Besitz der Betty-Reis-Gesamtschule Wassenberg – Europaschule

Die Skulptur stellt abstrakt in 2,85 m hohen Stelen aus Mooreiche den Zug von KZ-Häftlingen dar. Sie thematisiert in den zwei erkennbaren Menschengruppen mit den Aspekten Ohnmacht, Grausamkeit, Trennung die Erfahrungen, die Menschen mit dem menschenverachtenden Regime der Nationalsozialisten machen mussten.

Vom Künstler ist sie dem Andenken an Betty Reis gewidmet worden. Darstellung und Widmung weisen eine bewusste Differenz auf. Die dargestellten Menschen sind namenlos, sie haben zunächst nichts mit Betty Reis zu tun; das Kunstwerk kündet vielmehr grundsätzlich von dem Schicksal der Jüd:innen während der Shoah; mit seiner Widmung „für das jüdische Mädchen Betty Reis“ stützt der Künstler bewusst das Anliegen der Schule.

Deshalb stand sie als Mahnmal bereits von 1993 bis 2013 im Außenbereich unserer Schule. Aus Sicherheitsgründen musste die Skulptur 2013 abgebaut und trocken untergestellt werden, da vor allem das hölzerne Fundament großen Schaden genommen hatte. Von der Künstlerfamilie wurde sie restauriert und auf mehreren großen Ausstellungen gezeigt, bevor sie verabredungsgemäß an unsere Schule zurückkehrte.

Als Schulgemeinde wünschen wir uns, dass dieses Mahnmal eine Rezeption durch unsere Schüler:innen erfährt wie der Gedenkstein im Foyer der Schule oder das Gedicht von Heribert Heinrichs im Neubau. Möge es ein Baustein im Rahmen der Erinnerungskultur an unserer Schule werden und dazu beitragen, dass wir weiterhin Bettys Geschichte als ‚Geschichte für heute‘ verstehen.